Kontemplation ist ein in der Tradition christlicher Mystik verwendeter Name für eine besondere Form der Meditation. Sie lehrt uns, zur Ruhe zu kommen, das kleine – und zuweilen auch größere – Alltags-Ich zurückzunehmen und unseren Geist mit einem allgemeinen liebenden Aufmerken zu öffnen für das Gegenwärtige, das immer nur jetzt ist. Auf diese Weise öffnet uns Kontemplation für eine immer umfassendere Wirklichkeitserfahrung.
Diese Übung der achtsamen Präsenz ist zwar einfach, aber oftmals wegen unserer großen Zerstreuung oder Ablenkbarkeit nicht leicht. Deshalb gibt es eine weitere grundlegende Übungsmethode: Die Sammlung auf einen einzigen Bewusstseinsinhalt schafft die notwendige Voraussetzung dafür, um nicht abzuschweifen. Dabei kann der Fokus je nach individueller Begabung und Prägung unterschiedlich gewählt werden: zum Beispiel eine Geste, eine Sinneswahrnehmung, ein Gefühl, eine Bildvorstellung oder ein gedanklicher Inhalt.
Die Entwicklung der Sammlungskraft kann durch ergänzende Übungen unterstützt werden, die unsere Selbsterkenntnis und Lebensgestaltung fördern, wie etwa die gegenständliche Meditation oder spezielle Alltagsübungen.
Bei einem gewissen Intensitätsgrad der Praxis entfaltet der individuelle Übungsweg eine lebensverwandelnde transformierende Wirkung. Er kann also zu bestimmten Zeiten wohltuend und zutiefst beglückend, zu anderen Zeiten aber ebenso anstrengend und herausfordernd sein. Eine entsprechende seelische Stabilität ist daher wichtig.
Die zuvor genannten Übungsformen dienen einer stetigen Einübung: Sie bringen unser „Ich“ auf den Hinweg zu unserem wahren „Selbst“. Wenn uns so eine Erfahrung unseres innersten Wesens und damit letztlich eine Erfahrung des Einsseins mit der letzten Wirklichkeit des Göttlichen geschenkt wird, so führt uns dies unwillkürlich auf den Rückweg in die Welt. Die Übung verwandelt sich in eine Ausübung, eine stetige Betätigung unserer Intuition für den Augenblick.
Ein Meditationsweg, der unserem abendländischen Kulturkreis entspricht, wird das Erfahrungswissen der mystischen Tradition zeitgemäß aktualisieren. Daher sind freier Wille und intellektuelles Verstehen des eigenen Prozesses unhintergehbar. Dieses Wegverständnis wirkt sich aus sowohl auf unsere Methode der Begleitung auf dem inneren Weg, als auch auf die Vision zur Gestaltung unseres Lebens in der Welt. Das Geschenk einer Erfahrung des Einsseins mit allem, was ist, verändert unser Handeln in der Welt unwillkürlich in Richtung auf wachsende Selbstverantwortlichkeit und Authentizität.